Fakes und Nachbauten im Luxman LV-113

28.10.2023 19:03 (zuletzt bearbeitet: 28.10.2023 19:18)
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#1
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Für ein paar Experimente habe ich vorhin einen Luxman LV-113 Verstärker organisiert. Das Gerät hat rein optisch die besten Zeiten hinter sich, und auch technisch gab es ein paar Probleme.
Um das Gerät für diesen Versuch überhaupt verwenden zu können mussten zuerst das Relais ausgebaut, und seine Kontakte gereinigt werden. Außerdem mussten die Versuche über die Lautsprechergruppe B laufen, da der Schalter für A vollkommen hinüber ist, und ich keine Lust hatte, ihn auszutauschen.




Das Gerät wurde verschrottet, da der linke Kanal defekt war. Die Leistungstransistoren und die Netzsicherung mussten erneuert werden.
Da dort vollisolierte TO3P Typen verbaut sind, und mein Versuch mit nicht vollisolierten Typen durchgeführt wurde, müssen auf der linken seite Isolierscheiben unterlegt werden.



Im Original sind es diese Transistoren gewesen, die zurzeit im rechten Kanal weiterhin verbaut sind.
Auffällig ist hier, dass das Logo des P und des N Transistors unterschiedlich ausfällt. Es sieht nicht so aus, als wäre das Gerät vorher schon (mit Fakes) repariert worden. Es zeigt dann aber, dass man selbst bei Originaltypen keine einheitliche Stempelung verwendet hat. Es lässt zumindest Fragen offen.

Vce und Ic sind mit den "neuen" Ersatztypen identisch, aber Pc liegt mit 85 Watt etwas unter den neuen Typen.


Zum Test werde ich drei Varianten nacheinander links einbauen und dann 5 sweeps hintereinander in 8 ohm und 5 sweeps in vier ohm durchführen. Der Kühlkörper erhitzt sich dabei auf über 50 Grad.

Die Kandidaten:

1. PMC Semi. Wenn man genau hinschaut, erkennt man in der kleinen Vertiefung ein Sanken Logo. Entweder wurden "Fakes" umgelabelt, oder es wurden Original Sanken (welche auch immer) umgelabelt.


2. Inchange Semi


3. Fakes, die zudem noch aus verschiedenen Quellen stammen . N und P Typ sind unterschiedlich gerlabelt: Links "San" , rechts SR ?



Mit diesen Fakes habe ich vorhin begonnen, der Rest morgen.
Die Fakes sind mit keinem Label für das hFE Ranking ausgestattet. Mit Ib 20 mA erreicht der N Typ 75, der P Typ 83. Das entspricht der Einstufung in "O"



Disclaimer:
Wenn der Hersteller das Gerät ohne Schwachstellen und Mängel gebaut hat, sind die verwendeten Originalbauteile zweifellos immer zu bevorzugen. Das gilt ganz besonders dann, wenn man auf keine gut ausgerüstete Werkstatt zurückgreifen kann, und /oder keine Experimente machen möchte. Experimente sind AUCH dann nicht unbedingt zu empfehlen, wenn man gewerblich handelt, und Geräte als Dienstleister repariert.
Nur damit das Thema nicht durch solche Einwürfe verwässert wird.
Hier geht es nur um die technische Seite, nicht die rechtliche und auch nicht um irgendwelche anderen Seiten, die ich gerade nicht auf dem Schirm habe ;)
Unterm Strich ist jeder für seine Arbeit und sein Handeln selbst verantwortlich.

Warum dieser Thread? Im Internet liest man hin und wieder von irgendwelchen Leuten, die mit DMM und Lötkolben bewaffnet irgendwann, irgendwo, an irgendeinem Gerät angeblich irgendwelche Nachbauten oder Fakes verbaut haben, die angeblich
ganz erhebliche Probleme bereitet haben sollen.

Die Geschichten sind vielfältig. Vom sofortigen Durchbrennen nach dem Einschalten, über Durchbrennen, während man den Ruhestrom einstellen wollte, bis hin zu Durchbrennen, nachdem man ein klein wenig lauter gedreht hat.
Alle diese Geschichten halte ich -in dieser Form- für unglaubwürdig, was nicht bedeutet, dass ich alle Fakes und Nachbauten dieser Welt als "tadellos" bezeichnen möchte. Das kann ich gar nicht, da ich nicht alles testen kann.
Dass es hier und da furchtbaren Schrott zu kaufen gab, und vielleicht auch noch gibt, steht außer Frage, und wenn man erzählt hätte, dass der reparierte Kanal bei einer lautstarken Party nach 30 Minuten wieder "geplatzt" sei, wäre das eben nicht automatisch unglaubwürdig.

OK, zurück zum LV-113. Der Trafo war bereits auf 240 Volt eingestellt, und die Netzspannung des Conditioners zeigt 236V

Bei den Fakes war mir tatsächlich nicht besonders wohl, und wenn es einen Ausfall gegeben hätte, dann wäre der Verlust voll einkalkuliert gewesen.



Nach jedem Wechsel muss der Querstrom neu eingestellt werden. Ich habe 40 mA eingestellt, ohne das im SM gegenzuprüfen. Das reicht vollauf.

Beide Kanäle mit lediglich geringe, Oberwellenanteil. Klirrdämpfung über 100 dB. Ansonsten in der Praxis uninteressante Netzstörungen


Fünf Durchgänge in 4 Ohm Last (1KHz) , beide Kanäle zeitgleich. Etwa 86W x2. Rot die Fakes, wobei noch unklar ist, ob das Verhalten an den beiden Transistoren, oder bereits in der Treiberstufe entsteht. Für die Praxis ist das nicht relevant. Die Originaltransistoren (anderer Typ) gehen etwas früher , und ab 0,02% dann voll ins Clipping.


Nochmal in vier Ohm Last, 5 sweeps:




Fazit: Diese Fakes kann man hier anscheinend gut einsetzen. Die typischen "Fake-Geschichten" traten hier zumindest nicht ein.
Morgen Inchange und PMC.


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28.10.2023 19:18
avatar  hififan
#2
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Sehr geil. Fakes besser als Originaltransistoren.

Schönes altes Geraffel? Her damit!

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28.10.2023 19:20
avatar  Scope
#3
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Das steht noch nicht fest. Außerdem ist der "weichere" Übergang m.E. nicht gleich als schlechter zu bezeichnen.


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28.10.2023 21:07
avatar  hififan
#4
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Doch. Klirr steigt früher an.

Schönes altes Geraffel? Her damit!

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29.10.2023 10:29 (zuletzt bearbeitet: 29.10.2023 10:39)
avatar  Scope
#5
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Die Inchange Transistoren aus halbwegs aktueller Fertigung. Vor etwa zwei Jahren gekauft. Ranking "P", trifft auch zu, gemessen 130 bzw. 120. (bei Ib60mA)

Wie zuvor, 5x 8R, 5x 4R.

1KHz , 8R

Der Inchange stellt sich fast unverändert zum Fake dar. Die Originalbestückung (blau) stellt sich jetzt auch oberhalb von 20W mit geringeren Verzerrungen bis zum harten Clipping dar.
Woran liegt das? : Das kann mehrere Ursachen haben, die aber alle eines gemeinsam haben: mechanische Kontaktstellen.
Um die Transistoren einzubauen, habe ich den Lautsprecherstecker auch auf der originalbelassenen Seite ein mal ab- und wieder aufgesteckt. Außerdem wurden die Adapter (Banane auf solif core Draht) an den Lautsprecherklemmen gelöst, und wieder angezogen. Und auch das gebrauchte Relais kann unterschiedlich "gut" oder "schlecht" schalten. Bereits in der vier ohm Messung hatte sich das weiter oben ja bereits eigenständig entschärft.
All diese Einflüsse kommen oft erst bei höheren Strömen zum Tragen. Das Problem tritt sehr häufig auf, und es ist keine schlechte Idee, beim Auftreten solcher "Effekte" alle Kontakte nochmal gründlich nachzuziehen. In diesem Fall ist diese Ungenauigkeit aber kein Problem, da der zu untersuchende "Effekt" ein anderer war.
Es ist also gut möglich, dass die Originaltransistoren sich deckungsgleich zu den Nachbauten verhalten, wenn man einfach die Seiten getauscht hätte. Das geht mir in diesem Fall aber zu weit. Es ist mir zu viel Aufwand, und ändert nicht an dem, was ich hier darstellen möchte.

Auch hier etwa 83W, 1% THD&N


Vier ohm:



Fazit: Gerade in kleineren, bis "normalen" Standardgeräten, sehe ich gar kein genereles Problem, das man mit diesen Transistoren bekommt.
Ähnliche Versuche, teils mit höheren Strömen, habe ich schon vor Jahren im off eingestellt.


Und noch ein Foto vom durchgebrannten Originaltransistor. Das sieht sehr "original" aus ;)
Die Chipfläche entspricht der eines Sanken 130W Transistors, aber durch die Vollisolierung steigt der thermische Widerstand, sodass er nicht so stark belastet werden kann. Er kann die Wärme nicht so schnell abführen, da die Schicht gut 1mm dick ist.



PMC?....später.;)


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30.10.2023 07:30
avatar  41199
#6
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Forumsgründer

Schon spannend, dass passend ausgewählte, alternative Transistoren kaum einen Einfluss auf die Eigenschaften des Verstärkers haben.
Wenn man sich überlegt, was sonst angeblich alles problemlos erhört werden kann, ist dies -im Vergleich- ja schon ein erheblicher Eingriff ins Gerät


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31.10.2023 10:32
avatar  Scope
#7
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Die PMC werde ich heute abend testen....


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31.10.2023 16:37
#8
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Zitat
was sonst angeblich alles problemlos erhört werden kann,



Ich glaube viele "hören" das Wissen. Das "Wissen" das andere Bauteile verbaut wurden, das Wissen das Kondensatoren getauscht wurden, das Wissen das andere Transistoren verbaut wurden (oder gar billige Fakes) uswuswusw.

Würden sie es nicht Wissen, würden viele wohl gar nix hören.

Rechtschreibfehler sind gewollt und dienen der Belustigung

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31.10.2023 18:31 (zuletzt bearbeitet: 31.10.2023 18:47)
avatar  Scope
#9
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Mit den PMC sieht es erwartungsgemäß nicht anders aus. Unklar bleibt, ob das Verhalten der Originaltransistoren, welches alleine gestellt nicht auffällig ist, an den Sanken Transistoren, oder aber anderswo in der Schaltung zu suchen ist. Um das herauszufinden, müsste man die Transistoren einfach von links nach rechts umbauen, was ich aber wohl nicht tun werde. Die Aufgabenstellung war, bzw. ist eine andere. ;)
Ich könnte auch die Transitfrequenz und Cob der Transistoren vergleichen, aber das mache ich eventuell später und hänge es hier an.

Die hier verwendeten PMC erreichen hFE von 125 bei 4Vce und 20 mA Basisstrom. Der Kollektorstrom beträgt bei der Messung in diesem Fall also bereits 2,5A.





Wieder 5 Messungen an 8 , und an vier ohm Last.






Fazit: Ich habe von diesen PMC´s vor einigen Jahren je 50 Stck NPN und 50 PNP gekauft. Mittlerweile sind 80% davon verbaut. Dieselbe Menge an Inchange. Gerade in Verstärkern mit kleiner Leistung (wie in diesem Fall) kann man sie problemlos einsetzen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass hier in den letzten 5 Jahren überhaupt ein einziger Transistor zerstört wurde, da ich während der Einschalt- und Testphase alle möglichen Probleme messtechnisch im Auge behalte.
Also nicht einfach in die Steckdose und dann man schauen, was da so passiert ;)


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08.12.2023 12:28
avatar  Scope
#10
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Nachtrag...Es gibt einen kleinen Fehler in der Beschreibung der Messungen am Tek Curve Tracer. Der Basisstrom ist in allen Fällen nicht 20 mA, sondern 20 mA pro Stufe (per step). und muss mit der Zahl der Divisoren im Raster multipliziert werden.


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