JBL SA-600 Vollverstärker

24.09.2022 21:51 (zuletzt bearbeitet: 24.09.2022 22:10)
avatar  Scope
#1
avatar

Der SA-600 war Mitte der 1960er Jahre einer der ersten volltransistorisierten Hifi-Verstärker, dessen "Design" seiner Zeit etwas voraus war. Er hätte zumindest rein optisch auch aus den 70ern, oder Anfang 80er sein können.
An dem Gerät wurden bereits vor kurzer Zeit alle Elkos gewechselt. Eine messtechnische Kontrolle gab es aber anscheinend nicht.
Das Hauptproblem bestand darin, dass unabhängig von der Lautstärkeeinstellung auf beiden Kanälen ein viel zu starkes Rauschen und regelmäßiges Prasseln zu vernehmen war. In Bezug auf 2,83V (1W 8R) wurden gerade mal 61 dBA links, und 59 dB rechts erreicht. Das ist so viel, dass es über wirkungsgradstarke Lautsprecher störend wird.



Da der Lautstärkeregler nahezu keinen Einfluss auf das Rauschen nahm, ging ich zuerst von defekten Transistoren in der Spannungsverstärkung der Endverstärker aus. Das erwies sich jedoch als falsch.
Das Lautstärkepotentiometer befindet sich wider Erwarten -vor- der Klangregelstufe (direkt vor Q205). Somit gelangt die Rauschspannung der 4 gealterten Transistoren (pro Kanal) in jeder Lautstärkestellung ungedämpft in den Endverstärker.



Ursprünglich waren uralte Transistoren vom Typ 12593 (NPN) bzw. 12594 (PNP) verbaut. Verwendet habe ich die gängigen "super low noise" Japan Typen 2SA991 und 2SC1845, was dazu führt, das der Geräuschspannungsabstand in Bezug auf 2,83V
von ca. 60 dB(A) auf 83 dB(A) steigt.





Um an den Endverstärkern arbeiten zu können, muss mindestend eine der beiden Platinen ausgebaut werden. Da auf beiden Boards optisch unpassende Radialelkos eingebaut wurden, habe ich zumindest die vier auffälligsten (großen) Elkos gegen Axialtypen ausgetauscht. Eine rein optische Maßnahme.







Zum Vergleich: Messung der Netzstörkomponenten mit den alten Transistoren in Bezug auf 1W , 1KHz
Die Netzstörungen gehen auch bei vierfacher Mittelung völlig im viel zu hohen Rauschflur unter



Mit den neuen Transistoren gewinnt man >20 dB. Die Netzstörkomponenten werden sichtbar.



Die Verzerrungen der Endverstärker bewegen sich -für ein Gerät dieser Zeit) auf erfreulich geringem Niveau. Zwar "schwächelt" ein Enverstärker etwas, indem das Oberwellenspektrusm deutlich stärker ausfällt, aber der Hörgenuss wird dadurch nicht getrübt. Man merkt davon nichts. Zwar könnte man auch das mit hohem Aufwang beseitigen, aber der Nutzen wäre zu gering.

Kanal 1, 1W 8R: Perfekt für so ein altes Gerät


Kanal 2:


THD & N vs. output power into 8 ohm, both channels driven:
56 W x 2, @1KHz.


Neben mechanischen Arbeiten , z.B. am korrekten Sitz der Frontplatte, gab es noch Alterungsprobleme mit dem Phonoentzerrer. Die Verstärkung kann in drei Stufen eingestellt werden. Es gibt ausserdem einen extra Balanceregler fpr die Phonostufe.

Die Situation vor den Arbeiten: Differenzen im unteren Frequenzbereich, und +3 dB bei 20 KHz


Die rudimentäre 2 Transistorschaltung lässt sich auch mit viel Mühe und Annäherungsversuchen nicht in Bereiche bringen, die man von modernen Schaltungen gewohnt ist. Dennoch konnte die große Differenz im unteren Frequenzbereich verringert werden, und der Fehler bei 20 KHz auf etwa 1,5 dB 4reduziert werden.
Dazu mussten einige Widerstände und gealterte Folienkondensatoren ausgetauscht werden.





Während sich die Lautsprecherklemmen wie üblich auf der Rückseite befinden, sitzen die Cincheingänge auf der Unterseite (!) des Verstärkers. Allzu lange (gr0ße) Cinchstecker lassen sich also nicht verwenden, es sei denn es sind abgewinkelte Typen.
Ein sehr eigenwilliges Design....



 Antworten

 Beitrag melden
25.09.2022 09:59 (zuletzt bearbeitet: 25.09.2022 10:05)
avatar  Scope
#2
avatar

Nachtrag: Hochpegel (aux) Frequenzgang, 1W 8R:



Ausgangsimpedanz und Dämpfung (blau)



Rauschabstand Phono in Bezug auf 1W, 5 mV Eingangsspannung, Schaltstellung gain = "mittel"
73 dBA


 Antworten

 Beitrag melden
25.09.2022 13:12
avatar  Stu
#3
St
Stu

Toller Bericht, danke dafür!

Grüße
Lars


 Antworten

 Beitrag melden
25.09.2022 17:49
avatar  41199
#4
avatar
Forumsgründer

Wundervoller Exot. Danke fürs Zeigen hier!


 Antworten

 Beitrag melden
25.09.2022 18:52
avatar  hififan
#5
avatar

Sehr hübsches Gerät. Und eine doofe Frage: Welcher Effekt sorgt dafür, dass die Transistoren prasseln? Sind das Kontaktierungen, die sich ablösen?


 Antworten

 Beitrag melden
25.09.2022 20:27 (zuletzt bearbeitet: 25.09.2022 20:36)
avatar  Scope
#6
avatar

https://semiengineering.com/what-causes-semiconductor-aging/

https://ieeexplore.ieee.org/document/293334

Es sind komplexe (chemische) Prozesse im Bauteil....Manchmal bedingt durch den Eintritt von Sauerstoff über die Bedrahtung oder thermische Belastung......usw...Darüber könnte man eine Doktorarbeit schreiben.


 Antworten

 Beitrag melden
25.09.2022 21:16
avatar  hififan
#7
avatar

Es gibt verdammt viele Dinge hier. Erstaunlich.


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!